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30. März 2009
"Waltz with Bashir" als Flm des Jahres 2008 ausgezeichnet
Preisverleihung der Jury der Evangelischen Filmarbeit im Deutschen Filmmuseum

(vis) Die Jury der Evangelischen Filmarbeit hat Waltz with Bashir von Ari Folman als Film des Jahres 2008 ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am Freitag, den 27. März, im Kino des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt am Main statt. Werner Schneider-Quindeau, der Vorsitzende der Jury, überreichte die Preisurkunden an Anat Schwartz für das israelische Produktionsteam Bridget Folman Gang und an Roman Paul für den deutschen Koproduzenten Razor Films. Im Anschluss an die Vorführung des Films diskutierte die stellvertretende Juryorsitzende, Margrit Frölich, mit den beiden Gästen über die Entstehung und Eigenart des Films sowie über seine Bedeutung für das israelische Publikum. Einleitend würdigte Jurymitglied Jakob Hoffmann die ästhetische Leistung des Preisträgers. Jakob Hoffman ist außerdem INTERFILM-Mitglied und wirkte u.a. an der INTERFILM-Jury beim Max-Ophüls-Preis Saarbrücken 2009 mit. Hier der Text seiner Laudatio:

Es gibt zwei Sorten Dokumentarfilme, die guten und die schlechten.

Die Schlechten wuchern mit der allgemeinen Ansicht, Dokumentarfilme würden die Wirklichkeit zeigen.
Die Guten geben Hinweise auf ihr Verfahren, auf ihre Konstruktion. Und dann gibt es ein paar wenige, exzellente, die gewinnen aus dieser Konstruktion eine eigene, eigenständige Form. „Waltz with Bashir“ gehört zu jenen außergewöhnlichen Filmen.

Nichts scheint weiter entfernt zu sein von der Realität als ein Zeichentrickfilm. Animierte Filme, damit assoziieren wir zunächst die Märchen aus den Disneystudios, perfekte Unterhaltung für Jung und Alt. Wenn Sie nun gleich den Film „Waltz with Bashir“ sehen, werden Sie nicht lange nach der Plausibilität der Form fragen, sie leuchtet ein.
 
Ein Ausgangspunkt und der Beginn des Filmes ist ein Traum. Im Traum treffen Subjektivität und Geschichte zusammen. Träume sind Versuche, Geschichte und eigene Biografie zu integrieren. Alpträume indizieren, dass dies nicht gelungen ist.
Der Alptraum wird zum Start einer Recherche, einem Kampf durch die Verdrängungsleistungen, hin zu dem, was geschah. Dis historische Faktenlage scheint klar, es geht um das Massaker von Sabra und Schatila im Libanon im Jahr 1982. Die persönliche Erinnerung des Autors aber ist abgeschnitten von diesem Ereignis, sie muss rekonstruiert werden. Ari Folman tut das, indem er seine Kameraden aufsucht und sie befragt.
Der Filmkritiker Georg Seeßlen schreibt:
„In dieser Form hebt sich eine »Geschichte von unten« auf; an die Stelle eines mächtigen technologischen Apparates, der immer einen Rest des Obszönen hat gegenüber dem realen Leiden von Menschen in der Geschichte, tritt die subjektive und subversive Kraft des Zeichenstifts. Hier ist das Autobiografische keine Behauptung mehr. Denn die Stilisierung des Films entfernt sich weit vom State of the Art der computergenerierten Animation der Blockbuster: Es sind Bilder, die die Erinnerung zurückfordern von der »offiziellen Lesart«, von der Medienhysterie.“

In der großartigen Ausstellung „Superman und Golem – Der Comic als Medium jüdischer Erinnerung“, die am letzten Sonntag hier im jüdischen Museum zu Ende ging, wurde sichtbar, wie traditionsreich die Auseinandersetzung mit Geschichte durch Bildergeschichten in der jüdischen Kultur im 20. Jahrhundert ist. Der animierte Dokumentarfilm Folmans hat hier seine Wurzeln und wagt dennoch etwas Neues.

In der Begründung unserer Filmjury zur Nominierung von „Waltz with Bashir“ heißt es: „Am Ende von Folmans Spurensuche ist es möglich, nicht nur ein spezielles historisches Verbrechen neu zu sehen. „Waltz with Bashir“ zeigt auf radikale, höchst originelle Weise, wie Terror, Angst und Verdrängung zusammenwirken. Und: Wie sich die Moral und das Gedächtnis wieder einsetzen lassen.“

Walter Benjamin, ein Spezialist für Engel von Paul Klee, liegt in Port Bou begraben. Solch ein Engel ist auch das Emblem der Evangelischen Filmjury.Zur Erinnerung an Benjamin hat Dani Karavan eine Skulptur geschaffen, die mit einer Glasscheibe gegen das Meer abgeschlossen wird. Darauf steht: „Dem Gedächtnis der Namenlosen ist die historische Konstruktion geweiht“.
„Waltz with Bashir“ ist eine solche historische Konstruktion.

Der Film des Jahres“ wird von der Jury der Evangelischen Filmarbeit aus den von ihr empfohlenen FILMEN DES MONATS gewählt. Weitere Informationen unter www.filmdesmonats.de


Werner Schneider-Quindeau, Vorsitzender der Jury der Evangelischen Filmarbeit und
Vizepräsident von INTERFILM, bei der Preisverleihung mit A
nat Schwartz und Roman Paul (v.l.n.r.)