(Louisiane Arnera , Cannes) - Die Ökumenische Jury von INTERFILM und SIGNIS am Internationalen Film Festival Cannes feiert dieses Jahr mit einigen besonderen Akzenten am Rand der grossen pressewirksamen Ereignisse ihren 40. Geburtstag ("Spécial 40 ans"). Im Einverständnis mit dem damaligen Festivalpräsidenten Robert Fabre Lebret haben sich die seit 1952, resp. 1968 in Cannes mit einer eigenen Jury vertretenen Filmorganisationen OCIC (heute SIGNIS, katholisch) und INTERFILM (protestantisch) entschieden, eine Ökumenische Jury zu bilden, "um gemeinsam in die gleiche Richtung zu blicken".
"In vierzig Jahren ist die ökumenische Jury eine Tradition des Festivals geworden. Darin bekräftigt sie die Kraft des Kinos, Menschen zusammenzuführen," so Festivalpräsident Gilles Jacob, der in diesem Jahr sein Amt abgibt. Die Ökumenische Jury ermöglicht in der Tat einen besonderen Blick auf die Filme. Sie zeichnet Werke von Filmschaffenden aus, denen es mit besonderer künstlerischer Begabung gelingt, ein menschliches Verhalten oder Zeugnis zum Ausdruck zu bringen, das mit dem Evangelium in Einklang steht, oder die Zuschauenden für spirituelle, menschliche oder soziale Fragen und Werte zu sensibilisieren.
In diesem Kontext möchten SIGNIS und INTERFILM aus Anlass des 40. Geburtstages der Ökumenischen Jury die belgischen Filmschaffenden Jean-Pierre und Luc Dardenne für ihr Gesamtwerk mit einem Spezialpreis ehren. Die Filme der Gebrüder Dardennes sind von einer tiefen Menschlichkeit geprägt, wie sie auch wegleitend ist für die Beurteilungskriterien der Ökumenischen Jury. Die Preisverleihung soll am 22. Mai stattfinden.
Die Sendereihen "Présence protestante" und "Le Jour du Seigneur" des Fernsehsenders France 2 schliessen sich dem Programm zur Feier des 40. Geburtstages der Ökumenischen Jury an. Eine Sondersendung direkt von der Croisette am Sonntag, 25. Mai, von 10.00 bis 11.00 Uhr wird der Ökumenischen Jury gewidmet sein und den Zuschauern deren Rolle und Arbeitsweise näher bringen. Damit sind sie ein Beitrag zum Verständnis des christlichen Engagements für die Filmkunst.
In einer speziellen Publikation (französisch und englisch) finden Interessierte u.a. ein Grußwort des langjährigen Festivalpräsidenten Gilles Jacob, die Liste der Preisträger seit 1974, Erinnerungen und Überlegungen verschiedener Repräsentanten von SIGNIS und INTERFILM sowie ein Interview mit den Gebrüdern Dardennes. Die Broschüre kann heruntergeladen werden unter: 40 ans de Jury œcuménique au Festival de Cannes.
Wie gewohnt finden außerdem die regulären Ereignisse rund um die Jury statt: die Begegnungen am Stand der Ökumenischen Jury im Filmmarkt, die Gottesdienste im Zeichen des Festivals und die freundschaftlichen ökumenischen Begegnungen beim Apéro danach, um auf das Jubiläum anzustossen. Wer verhindert ist, persönlich vor Ort zu sein, kann das Geschehen auf der speziellen Website der Jury verfolgen: http://cannes.juryoecumenique.org.
(Übersetzung aus dem Französischen: Hans Hodel)
TV-Sendung zum Juryjubiläum (französisch)
10. Mai 2014
Nachruf auf Maurice Terrail
Ehrenmitglied von INTERFILM verstorben
Maurice Terrail (1933-2014) – Ein kirchlicher „Monsieur cinéma“
Von Hans Hodel - Anfang Mai ist in St.Sulpice am Lac Léman (Schweiz) Pfarrer Maurice Terrail, der frühere Film- und Fernsehbeauftragte der reformierten Kirchen der französischsprachigen Schweiz, in seinem 82. Lebensjahr gestorben. Für seine Verdienste um die Präsenz der kirchlichen Filmarbeit am Film Festival in Cannes hat ihm INTERFILM im Jahr 2000 anlässlich der 38. Generalversammlung in Mannheim die Ehrenmitgliedschaft verliehen.
Maurice Terrail war in der Romandie (wie man die französischsprachige Westschweiz nennt) als „Monsieur Cinéma de l’Église“ eine markante Persönlichkeit. Obwohl 1933 in Paris geboren, wurde er voll und ganz am Lac Léman heimisch, besuchte das Gymnasium in Lausanne, studierte an der dortigen Universität evangelische Theologie und wurde Gemeindepfarrer in St-Légier und Oulens. Ziemlich unvorbereitet erreichte ihn 1968 die Berufung als Leiter des protestantischen Filmbüros in Lausanne („Office protestant romand du cinéma“), dem er bis zu seinem offiziellen Ruhestand 1998 und interimistisch bis 2000 kompetent vorstand. Mit dieser Berufung nahm er das Erbe der Pioniere protestantischer Filmarbeit, die zu den Gründern von INTERFILM gehören, mit Leib und Seele ernst. Er hatte schnell die Bedeutung des Films in der Gesellschaft und seine Möglichkeiten für die Gemeindearbeit erkannt. Er reiste unermüdlich mit dem 16mm-Projektor von Gemeinde zu Gemeinde für die Vorführung und Diskussion von kurzen Animationsfilmen oder manchmal auch langen Spielfilmen, die im Rahmen eines eigenen kirchlichen Verleihs zur Verfügung standen, um für ethische Fragen und die Botschaft des Evangeliums zu sensibilisieren. Dabei ging es ihm wesentlich immer um den Respekt gegenüber der Würde des Menschen, gegen Manipulation und Intoleranz.
Er initiierte vor mehr als vierzig Jahren einen noch heute aktiven Studienkreis für Film („Cercle d’études cinémathographiques“ – www.ciné-feuilles.ch/cercle-d-etudes.html), in welchem an wechselnden Orten ausgewählte Kinofilme zur Diskussion gestellt werden. Die dabei gemachten Erfahrungen gaben 1981 den Anstoss zur Gründung der vierzehntäglich erscheinenden, mit bescheidenen Mitteln produzierten ökumenischen Filmzeitschrift „Ciné-Feuilles“, die seine französischsprachige Leserschaft kritisch über das aktuelle Filmgeschehen in Kino und Fernsehen informiert (www.cine-feuilles.ch). Bis zu seiner Pensionierung hat er die Herausgabe dieser Zeitschrift mit einem ehrenamtlichen Team geleitet, lange Zeit auch unterstützt von seinem katholischen Kollegen Yvan Stern aus Fribourg, und die Tatsache, dass dieses Team ihr Erscheinen heute noch, nach über 700 Ausgaben sicherstellt, grenzt an ein kleines Wunder, umso mehr als mit der Pensionierung von Maurice Terrail das „Office protestant romand du cinéma“ aus finanziellen Gründen aufgehoben wurde.
1973 gehörte Maurice Terrail zu den Mitbegründern der ersten Ökumenischen Jury am Film Festival in Locarno und folgerichtig zusammen mit Mady de Tienda aus Paris auch zu den Initianten für die erfolgreiche Zusammenlegung der katholischen Jury (seit 1952) und der evangelischen Jury INTERFILM (seit 1969) zur Ökumenischen Jury 1974 in Cannes. Maurice Terrail selber war eher selten Mitglied dieser Jurys, hingegen wurde er 1984 Nachfolger von Mady de Tienda als koordinierender Festivaldelegierter von INTERFILM, der sich diplomatisch geschickt um die Beziehungen zum Festival und ebenso gewissenhaft um die personellen und organisatorischen Belange der Ökumenischen Jury kümmerte, und dabei auch finanzielle Mittel investierte. Als er die Verantwortung für die Sicherstellung dieser Präsenz 2000 an Denyse Muller übergab, würdigte INTERFILM an der 38. Generalversammlung in Mannheim sein grosses und verdienstvolles Engagement mit der Ehrenmitgliedschaft. Dabei wurden auch Erinnerungen wach an die grosszügige und elegante Art seiner Organisation der Generalversammlung 1995 von INTERFILM in Genf und am Lac Léman im Zeichen des 40jährigen des Bestehens von INTERFILM, welche ganz im Sinne der Internationalität der Stadt Genf auch die Teilnahme von Vertreterinnen Osteuropas und anderer internationaler Gäste möglich machte.
Mannheim 2000: INTERFILM-Präsident Hans Werner Dannowski
verleiht die Ehrenmitgliedschaft an Maurice Terrail (li.)
Maurice Terrail war freilich nicht nur die grosse Leinwand wichtig, sondern auch der kleine Bildschirm. 1980 wurde ihm neben der Leitung des Filmbüros auch die Verantwortung für die religiösen Sendungen beim französischsprachigen Fernsehen der Schweiz (TSR, heute RTS) übertragen. Dazu gehört u.a. auch die Planung, Betreuung und Kommentierung von Gottesdienstübertragungen aus der deutschen Schweiz oder aus dem Ausland, was regelmässig eine Zusammenarbeit über die Sprachgrenzen hinaus bedingte. Dass es dabei angesichts seines Stolzes auf die französische Kultur und wegen seiner mangelnden Fremdsprachenkenntnisse manchmal Schwierigkeiten geben konnte, vermochte ihn nie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er wusste sie gelassen zu meistern. Und in dieser Meisterschaft kümmerte er sich auch um die Organisation des alle zwei Jahre stattfindenden „Prix Farel“, eines Festivals für religiöse Sendungen der lateinischen Fernsehsender Europas, das immer wieder auch von der Weltorganisation für Christliche Kommunikation (WACC) unterstützt wurde. „Je ne l'ai rencontré que deux ou trois fois, toujours dans le contexte d'un festival“, schreibt Philipp Lee, Programmdirektor von WACC. „Pour moi il personnifiait la rectitude, mais avec un sourire! La foi lui était inhérente et sa vie illustrait le bon serviteur, des valeurs qui sont de plus en plus rares. Qu'il repose en paix.“
18. Oktober 2013
Stefan Kaspar gestorben
Stuttgart/Bern, 18.10.13 (Bernd Wolpert/Hans Hodel) - Wie wir erfahren, ist der in Lima lebende Schweizer Filmemacher und Produzent Stefan Kaspar am Samstag, den 12. Oktober 2013 überraschend in Bogota gestorben. Wie die peruanische Online-Zeitung larepublika.pe meldete, hatte er an dem kleinen Alternativfestival „Ojo al sancocho“ teilgenommen und dort auch noch eine Rede gehalten.
Der 1948 in der Schweiz geborene und aufgewachsene Stefan Kaspar, der in Biel und Bern Kommunikationswissenschaften studierte und bis 1978 als unabhängiger Journalist und Filmemacher arbeitete, reiste als junger Mann für ein Filmprojekt über Migrationsprobleme nach Peru. Von dem Land und seiner Filmszene war er so fasziniert, dass er dorthin auswanderte und in den folgenden Jahrzehnten die peruanische Filmlandschaft nicht unwesentlich mitprägte. Dem deutschen und europäischen aber auch dem Publikum in Lateinamerika wurde er durch die Arbeit der Grupo Chaski bekannt, einem Filmkollektiv, das er mit begründet hat. Schon der erste Film der Grupo Chaski, der dokumentarische Spielfilm „Gregorio“ war in Peru 1984 nicht nur ein Kinoerfolg, sondern ein nationales kulturelles Ereignis. An der Fortsetzung, dem 1988 entstandenen Spielfilm „Juliana“, beteiligte sich das ZDF-Kinderprogramm Kleine Reihen. Beide Filme wurden vielfach ausgezeichnet, Und mit „Gregorio und Juliana“ (Anda, Corre, Vuela), an dem wiederum das ZDF beteiligt war, wurde 1995 eine so ursprünglich gar nicht geplante Trilogie über Kindheit und Jugend in Peru fertig gestellt. Alle drei Filme waren auch vom Kirchlichen Entwicklungsdienst in der Produktion gefördert und vom EZEF herausgegeben worden. In Deutschland wurden sie erfolgreich durch EZEF und die kirchlichen Medienzentralen, in der Schweiz durch den Verleih ZOOM, für die kirchliche und schulische Arbeit verliehen.
Nicht nur, aber auch in Folge der innenpolitisch ausgesprochen schwierigen Situation, wie sie durch die Aktivitäten des Sendero Luminoso und den Gegenterror des Staates entstanden waren – und so auch den Hintergrund von „Gregorio und Juliana“ ausmachen – war die herkömmliche Kinoarbeit zunehmend unmöglich geworden. Doch auch als die Grupo Chaski nach dem Tod ihres Präsidenten Fernando Espinoza keine neuen Filme mehr drehte, hielt Stefan Kaspar an der Medienarbeit als Mittel der politischen wie kulturellen Emanzipation fest. Er produzierte mehrere Kurzfilme, veranstaltete kleinere Festivals in Lima und begann vor allem damit, die Erfahrungen, die die Grupo Chaski mit dem Vertrieb ihrer Filme gemacht hatte, mit den neuen digitalen Möglichkeiten weiterzuentwickeln. Mit dem Red de Microcines, einem Netzwerk von „Kleinkinos“, hatte Stefan Kaspar eine Bewegung initiiert, die Vorführungen vor allem von peruanischen, aber auch Filmen aus anderen lateinameri-kanischen Ländern in ganz Peru ermöglichte – und das vor allem auch in abgelegenen Regionen. „Cine, Cultura y Desarrollo“ – Kino, Kultur und Entwicklung war das Motto und Prinzip dieser Basisbewegung. In einem Brief vom September d.J. hatte sich Stefan Kaspar sehr zufrieden über den Aufbau dieser Struktur geäußert. Für einen neuen Film, „La ultima noticia“, hatte er gerade die Zusage über eine Förderung durch das peruanische Kulturministerium erhalten.
Wir trauern um einen Freund, dessen Optimismus unverwüstlich schien und der ansteckend war. Stefan Kaspar, der als Mitglied von INTERFILM 2004 in Cannes der Ökumenischen Jury angehörte, verkörperte wie wenige andere den kulturellen Dialog und die kulturpolitische Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd.
11.Juni 2013
42. INTERFILM-Generalversammlung in Hannover
Mitglieder wählen neue Leitung
(vis) Vom 7.-9. Juni 2013 fand in Hannover die 42. Generalversamm-lung der Internationalen kirchlichen Filmorganisation INTERFILM statt. Neben dem Rechenschaftsbericht ihres Präsidiums und der Neuwahl ihrer Leitung stand ein Seminar zum Thema „Faith, Religion, and Film“ auf dem Programm des Treffens, das mit einem Empfang der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers seinen Abschluss fand. Am Sonntag, dem 9.6., waren die INTERFILM-Mitglieder Gäste eines Gottesdienstes, der mit einem Orgelkonzert und der Aufführung einer Bach-Kantate den Abschluss einer Konmzertreihe aus Anlass des Albert Schweitzer-Jahres bildete.
Mit der Wahl von Julia Helmke, Pastorin und Beauftragte für Kunst und Kultur in der Hannorschen Kirche, zur neuen Präsidentin hat INTERFILM einen Prozess des Wandels eingeleitet, der die Organisation in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Dabei geht es um die Positionierung des internationalen kirchlichen Filmengagements in den neuen, globalen Kommunikations-netzwerken. Unter den Stichworten „Kommunikation und Partizipation“ fasste Helmke diese Aufgabe bei ihrer Präsentation zusammen. Von dem auf ehrenamtlichem Engagement aufbauenden kirchlichen Filmverband erhofft sie sich dabei auch eine breitere Beteiligung der Mitgliedschaft über die Mitarbeit in kirchlichen Festivaljuries hinaus.
Hans Hodel, Pfarrer aus der Schweiz und als INTERFILM-Präsident seit 2004 Vorgänger Helmkes, stand nicht zur Wiederwahl, setzt aber als für die Kontakte mit den Festivals zuständiger Jury-Koordinator seine für INTERFILM essentielle Arbeit fort. Seit seiner Pensionierung vor 10 Jahren beruhte die Wahrnehmung seiner beiden INTERFILM-Ämter allein auf seinem umfangreichen ehrenamtlichen Engagement. In einer Dankesrede von Werner Schneider-Quindeau, dem Vorsitzenden der Jury der Evangelischen Filnmarbeit in Deutschland und ehemaligen Filmbeauftragten des Rates der EKD, würdigte ihn INTERFILM – mit Blick auf sein kommunikatives Genie – als „Spiderman“, als Netzwerker, der maßgeblich für den Zusammenhalt und den Erfolg der Organisation gesorgt hat. Für seine Verdienste um die Ökumene verlieh ihm die Katholische Weltorganisation für Kommunikation SIGNIS, Partner von INTERFILM in der Berufung und Betreuung der ökumenischen Jurys bei zurzeit 15 internationalen Filmfestivals, einen Ehrenpreis. Er wurde ihm von Jos Horemans, Präsident von SIGNIS Europa, am Ende einer bewegenden Rede verliehen, die sowohl die vertrauensvolle Zusammenarbeit beider Organisationen wie die freundschaftliche Beziehung der beiden Repäsentanten des kirchlichen Filmengagements bezeugte.
Neu gewählt wurden auch die Mitglieder des INTERFILM-Vorstandes, der traditionell „Leitungsausschuss“ (Steering Committee) genannt wird. Die meisten von ihnen wurden in ihrem Amt bestätigt, neben Hans Hodel die beiden Vizepräsidenten Denyse Muller (Frankreich) und Philip Lee (USA) sowie Karsten Visarius, Executive Director von INTERFILM. Neben ihnen führen ihre Arbeit fort Jolyon Mitchell (Großbritannien), Jes Nysten (Dänemark), Angelika Obert (Deutschland), Gianna Urizio (Italien), Anita Uzulniece (Lettland) sowie Werner Schneider-Quindeau (Deutschland), der sein Amt als Vizepräsident aufgab. Neu hinzu kommen Piet Halma (Niederlande) und Charlotte Wells (Schweden) als Referentin für Kultur in der schwedischen Kirche, die ihrem Vorgänger Mikael Larsson nachfolgt.
Vor der Wahl wurden die Bewerber für das Steering Committee nach ihren Lieblingsfilmen gefragt. Der scheidende Präsident nannte „Warum Bodhi Dharma in den Orient aufbrach“ von Bae Yong-kyun (Korea 1989) und „Cinema paradiso“ von Giuseppe Tornatore (Italien 1988) – eine Kombination, die aufs Schönste die Verbindung von Kinoleidenschaft und religiöser Sensibilität illustriert, von der INTERFILM zehrt.
10. Juni 2013
Julia Helmke neue INTERFILM-Präsidentin
Julia Helmke löst den Schweizer Pastor Hans Hodel ab, INTERFILM-Präsident seit 2004. Er stand für eine Neuwahl nicht zur Verfügung, führt aber seine Arbeit als Jury-Koordinator von INTERFILM fort, die er seit 1989 wahrnimmt. Für sein jahrzentelanges Engagement im Bereich der ökumenischen Filmarbeit verlieh ihm die Katholische Weltassoziation für Kommunikation SIGNIS, Partner von INTERFILM in zahlreichen Festivaljurys, in Hannover einen Ehrenpreis. Er wurde ihm vom Präsidenten von SIGNIS Europa, Jos Horemans, überreicht, der als Gast an dem INTERFILM-Treffen teilnahm.
Den festlichen Höhepunkt der INTERFILM-Generalversammlung bildete ein Empfang der hannoverschen Landeskirche zur Würdigung des Ehrenpräsidenten der Filmorganisation, Hans Werner Dannowski, der in wenigen Tagen seinen 80. Geburtstag feiern wird. Dannowski war Stadtsuperintendent Hannovers und Filmbeauftragter der EKD. Landesbischof Ralf Meister, selbst INTERFILM-Mitglied, und Petra Bahr, Kulturbeauftragte des Rates der EKD, bekannten sich beide als Schüler des Predigers Dannowski, der wie nur wenige den Bogen zwischen Kunst – auch der des Films – und Evangelium zu schlagen vermag. Publikationen seiner Artikel und Ansprachen oder seiner Filmpredigten bezeugen seine Kunst der Auslegung beider, ihrer Kontraste wie ihrer Verwandtschaften. Dannowski hat darin dauerhafte Impulse für das Verhältnis von Kirche und Kultur gegeben.
11. März 2013
"Forbidden Voices" gewinnt WACC-SIGNIS Menschenrechts-Filmpreis
Der WACC-SIGNIS Menschenrechts Filmpreis 2012 wird dem Schweizer Dokumentarfilm Forbidden Voices (Voix interdites) von Barbara Miller verliehen.
Mit dem Menschenrechts-Filmpreis der Weltorganisation für Christliche Kommunikation WACC (www.waccglobal.org/) und der Katholischen Weltorganisation für Kommunikation SIGNIS (www.signis.net) wird seit 2010 ein Dokumentarfilm ausgezeichnet, der in besonderer Weise einen Beitrag zur Bedeutung der Menschenrechte leistet und dabei die Werte reflektiert, die für WACC und SIGNIS prioritär sind. (2010 wurde der Preis dem Film The Garden at the Ende of the World über den Wiederaufbau von Afghanistan von Gary Caganoff verliehen; 2011 ging er an Verdades verdaderes von Nicolás Gil Lavedra über die argentinischen Grossmütter auf der Plaza de Mayo, basierend auf dem Leben von Estela de Carlotto.)
Im Film Forbidden Voices steht die Tätigkeit von drei Bloggerinnen aus drei unterschiedlichen Ländern und Kulturen im Mittelpunkt des Interesses, nämlich Yoani Sánchez (Cuba), Zeng Jinyan (China) und Farnaz Seifi (Iran). Mit ihren kritischen Blogs engagieren sie sich für Meinungs- und Pressefreiheit und stellen damit das staatliche Informationsmonopol ihrer Länder in Frage, obwohl sie damit ihr Leben gefährden. Forbidden Voices vermittelt einen Einblick in das risikovolle Leben der drei Bloggerinnen und zeigt, wie sie das soziale Netzwerk nutzen, um die Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land zu denunzieren und für das Recht auf freie Meinungsäusserung zu plädieren.
Generation Y, der Blog von Yoani Sánchez in Havanna, ist seit seiner Lancierung im April 2007 sehr schnell bekannt und populär geworden und wurde ein Jahr später von der spanischen Tageszeitung El Païs ausgezeichnet. Er behandelt die sozialen und ökonomischen Schwierigkeiten, mit denen die Kubaner täglich konfrontiert sind, was dazu geführt hat, dass die Autorin der staatlichen Zensur unterstellt wurde, Zielscheibe von Diffamierungskampagnen geworden ist und sich sogar mit körperlichen Attacken konfrontiert sah. Trotz staatlicher Zensurmassnahmen und Repressionen unterhält die chinesische Aktivistin Zeng Jinyan ihren Blog und Twitter schon seit 2006, um aus ihrem Leben zu erzählen. Im Mittelpunkt steht dabei ihr inhaftierter Mann Hu Ji, der vor allem wegen seines Umwelt-Engagements und der Solidarität mit an Aids erkrankten Menschen bekannt geworden ist. In der Folge von Hu’s Inhaftierung wurde Zeng zusammen mit ihrem Baby unter Hausarrest gestellt, ständig bewacht. Trotzdem führt sie ihren Kampf für den Respekt fundamentaler Freiheitsrechte in China weiter. Die ebenfalls zensurierte und bedrohte iranische Bloggerin Farnaz Seifi, die sich unbeirrt für die Beachtung der Menschenrechte einsetzt, musste den Iran schliesslich verlassen und lebt heute in Deutschland. Zusammen mit anderen iranischen Menschenrechtsaktivistinnen zeigt sie, wie das Internet die Regierungen zu beeinflussen vermag. Farnaz Seifi ist Mitglied von Change for Equality, einer im September 2006 von einer Gruppe von zwanzig Iranerinnen gegründeten Website zur Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung von Frauen.
Forbidden Voices wurde von «Reporter ohne Grenzen» unterstützt.
20. Februar 2013
Die Kirchen auf der Berlinale 2013
(vis) 1964 vergab erstmals eine evangelische INTERFILM-Jury einen Preis bei der Berlinale, eine katholische Festivaljury sogar schon seit 1954. Wäre es bei dieser konfessionellen Aufteilung geblieben, hätten die kirchlichen Filmorganisationen 2013 ihre fünfzigste resp. sechzigste Jury feiern können. Die Gründung einer Ökumenischen Jury im Jahr 1992 hat diese beiden Langzeit-Jubiläen in den Hintergrund gedrängt. Dennoch bleiben die Traditionslinien des kirchlichen Festivalengagements in der Erinnerung präsent, allein schon durch die Filme, die eine kirchliche Auszeichnung erhielten – so etwa die katholischen OCIC-Preisträger „Die zwölf Geschworenen“ von Sydney Lumet (1957), „Wie in einem Spiegel“ von Ingmar Bergman (1962) und „Charulata“ von Satyajit Ray (1965) oder die INTERFILM-Preisträger „Die Milchstraße“ von Luis Buñuel (1969), „Effi Briest“ von Rainer Werner Fassbinder (1974) und „Die Wanderschauspieler“ von Theo Angelopoulos (1975, Preis im Internationalen Forum des jungen Films).
Die diesjährige Jury unter ihrem kubanischen Präsidenten Gustavo Andújar stellte sich im Rahmen des Ökumenischen Empfangs der Kirchen vor, der mit Grußworten von Weihbischof Dr. Matthias Heinrich und von der Kulturbeauftragten des Rates der EKD, OKRn Dr. Petra Bahr, eröffnet wurde. Weihbischof Heinrich hob das Potential des Kinos hervor, Menschen zu einem verändernden Handeln in der Welt zu inspirieren. Petra Bahr erinnerte an den jüdischen Kinopionier Abraham Tuschinski, der 1911 in einer stillgelegten Kirche in Amsterdam sein erstes Kino eröffnete; er wurde 1942 in Auschwitz ermordet. Als Gastredner des Empfangs setzte sich Alfred Holighaus, Geschäftsführer der Deutschen Filmakademie, für ein wirkungsvolles Urheberrecht für Filme und für die Stärkung der bundesdeutschen Filmförderung ein.
Zusätzlich zu Empfang, Juryarbeit und –preisverleihung fand in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein im RBB übertragener Filmgottesdienst statt. Petra Bahr predigte über einen Filmhelden, den man auf Festivals vergeblich suchen würde – James Bond. Aber selbst das Action-Kino scheint dieses Helden müde. So jedenfalls sah Petra Bahr den Bond-Darsteller in seinem bisher letzten Film, „Skyfall“: vermenschlicht durch Schmerzen, Tränen, Scheitern und Verlust. Zeigten sich die Zuschauer durch diesen neuen Bond enttäuscht, so rückt ihn sein Sturz aus dem Himmel der Wunschprojektionen, so Petra Bahr, in die Nähe des Jesus der Passion und damit näher an uns, die zum Heldentum nicht Berufenen. Die in einem zum Menschen gewordenen Gott besseren Trost finden als in einem unverwundbaren Supermann.
Die Preisträger der Ökumenischen Jury 2013 und Festivalberichte finden Sie hier
Die Predigt von Petra Bahr können Sie als PDF-Datei herunterladen:
13. Februar 2012
Ökumenischer Empfang zur Berlinale 2012
(vis) Vertreter der Filmkultur und der Kichen trafen sich beim Ökumenischen Empfang der Berlinale, der am 12. Februar im Haus der EKD am Berliner Gendarmenmarkt stattfand. In ihrer Begrüßung bezog sich die Kulturbeauftragte des Rates der EKD, Petra Bahr, auf die gegenwärtige europäische Schuldenkrise und erinnerte daran, dass sich der Zusammenhalt Europas nicht nur aus politischen Institutionen und einem gemeinsamen Wirtschaftsraum, sondern vor allem auch aus der kulturellen Geschichte und Identität des Kontinents speist. Unter Bezug auf einen Vorschlag von Umberto Eco brachte sie die Notwendigkeit einer „symbolischen Leitwährung“ ins Spiel, die aus den Bildern und Geschichten entsteht, die Europäer schaffen und einander erzählen, auch im Kino – und die auch jenseits der Institutionen und wirtschaftlichen Verflechtungen Bestand haben.
Weihbischof Ulrich Neymeyr, der für die katholische Kirche sprach, erinnerte an die bedeutsame Rolle, die das Vatikanische Konzil der Kultur für das Verständnis der menschlichen Fragen, Hoffnungen, Konflikte und Ängste eingeräumt hat. In Filmen wie denen des Festivals erkenne die Kirche die fortwirkende Realität jener Impulse wieder.
Nach der Vorstellung der Mitglieder der ökumenischen Jury durch Jurypräsidentin Angelika Obert sprach der Philosoph und Kulturwissenschaftler Thomas Macho, Professor an der Humboldt-Unversität, über die Renaissance spiritueller, religiöser und „bildmagischer“ Elemente, die neuerdings verstärkt Beachtung finden, auch jenseits des Films. Unter Bezug auf den 25. Todestag Andrej Tarkovskijs am 29. Dezember 2011 würdigte er dessen Beitrag zur Entfaltung und Reflexion jener bildmagischen Dimensionen in der Filmgeschichte. Sie manifestieren sich bei Tarkovskij, so Macho, in der kreativen Autorität und prophetischen Sensibilität des Künstlers und in der Medialität seines Materials. Der Titel seines Vortrags fasste diese drei Elemente in einer naiv-kindlich klingenden, in Wahrheit unergründlichen Formel zusammen. Er zitierte die Schlusswendung von Tarkovskijs letztem Film, „Opfer“, die er einem bis zu diesem Moment stummen Kind in den Mund legt: „Am Anfang war das Wort. Warum, Papa?“