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12. Dezember 2006
Die Faszination fundamentalistischer Weltbilder
Internationales Symposium in der Evangelischen Akademie Arnoldshain (7.-10.12.2006)

Der Fundamentalismus ist eines der beunruhigendsten Phänomene der jüngsten Zeit. Zu diesem Thema veranstalteten das Filmkulturelle Zentrum im GEP und die Evangelische Akademie Arnoldshain vom 7.-10. Dezember 2006 ein mit internationalen Referenten besetztes Symposium. Die von einem engagierten Publikum besuchte Tagung setzte zwei Akzente. Sie bot einerseits einen Vergleich zwischen dem im Vordergrund der Aufmerksamkeit stehenden islamischen Fundamentalismus und den Formen des jüdischen und christlichen Fundamentalismus an, deren gewachsener politischer Einfluss sich in der Krisenregion des Nahen Ostens zu einem verhängnsivollen Knoten verschlungen hat, aber auch das Klima in ihren Ausgangsgesellschaften verschärft. Gemeinsames Element der verschiedenen Fundamentalismen ist ein buchstabengetreues Verständnis ihrer heiligen Schriften, ein vormoderner, intoleranter Literalismus, an dem jeder Versuch zum Dialog scheitert. Dramatisch wird diese Intoleranz dann, wenn sie sich aggressiv nach außen richtet, was für zahlreiche fundamentalistische Gruppierungen keineswegs zutrifft. Dabei nutzen, so die Referenten aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Österreich, der Schweiz und Deutschland übereinstimmend, die Fundamentalisten durchaus die Techniken und Mechanismen der Moderne, wenn auch häufig nur in Form strategischer Gegenreaktionen. So bringt etwa der Islamismus den „Westen“ mit der Forderung nach Gerechtigkeit in Verlegenheit.

Eine dieser Strategien ist die erfolgreiche Nutzung moderner Bild- und Nachrichtenmedien. Diesem Aspekt war der zweite Schwerpunkt der Tagung gewidmet, der mit Filmen zum Fundamentalismus eine kulturelle, aber auch unmittelbar emotionale Ebene der Auseinandersetzung anbot. „Paradise Now“ von Hani Abu-Assad (Palästina) zum Thema Selbstmordattentäter, „Silent Waters“ von Sabiha Sumar (Pakistan) und „Kadosh“ von Amos Gitai (Israel) zum Schicksal von Frauen, die durch religiöse Ideologien in den Tod getrieben werden, oder „Dogville“ von Lars von Trier (Dänemark), ein Lehrstück über Opfer- und Rachefantasien: sie entwerfen bittere, tragische, anklagende Gegenbilder und Gegengeschichten sowohl zur fundamentalistischen Gewalt wie zu den global kursierenden Medienbildern – und den Reflexen, mit denen sie rechnen. Eindimensionalität ist Gift, nur komplexere Haltungen sind brauchbar: Freund und Feind, so das Abschlusspodium der Tagung, lassen sich nicht nach klaren Fronten sortieren. Die unterschiedlichen Kulturen sind, bei uns und überall, tief ineinander verschlungen.

Karsten Visarius