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Berlin

56. Internationale Filmfestspiele Berlin
9.2.-19.2.2006

Preise der Ökumenischen Jury – Berlinale 2006

Die Ökumenische Jury der Berlinale verleiht Preise für Filme des Wettbewerbs, des Panoramas und des Forums des Internationalen Jungen Films der Berlinale. Die Preise des Panoramas und des Forums sind jeweils mit 2500.- € dotiert, gemeinsam vergeben von der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Mitglieder der Jury: Jörg Herrmann (Deutschland), Milja Radovic (Serbien und Montenegro), Marius Sopterean (Rumänien), Christine Stark (Präsidentin der Jury, Schweiz), David Tlapec (USA), Reinhold Zwick (Deutschland)


Wettbewerb:

GRBAVICA
von Jasmila Zbanic (Österreich, Bosnien und Herzegowina, Deutschland 2005)

für seine einfühlende und vorurteilsfreie Erzählweise, für seine Darstellung von menschlicher Verletzbarkeit und der Kraft der Liebe, Hass und Gewalt zu überwinden, für seine sensible Darstellung der universalen Problematik der Versöhnung.

Der Film erzählt die Geschichte einer Frau, die in Sarajevo in der Zeit nach dem Krieg nicht nur mit den täglichen Überlebensproblemen, sondern vor allem mit den Traumata des Krieges zurechtkommen muss. Sie hat eine Tochter, die zunächst nicht weiß, dass ihr Vater ein serbischer Soldat ist, der ihre Mutter vergewaltigt hat.


Panorama:

KOMORNIK (Der Gerichtsvollzieher)
von Feliks Falk (Polen 2005)

für ein genaues Portrait des aktuellen politischen Wandels in Polen, das zugleich eine ethisch eindringliche Geschichte über die universale Problematik der Korruption erzählt. Für die hohe künstlerische Qualität der Darstellung von Gerechtigkeit und Menschenwürde. 

Der Film erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Falls des Gerichtsvollziehers Lucek Bohme, der im Namen des Gesetzes und ohne Rücksicht auf die jeweiligen Umstände das Eigentum von Schuldnern beschlagnahmt.


Forum:

CONVERSATIONS ON A SUNDAY AFTERNOON
von Khalo Matabane (Südafrika 2005)

für eine formal gelungene und inhaltlich eindrucksvolle Dokumentation der Situation von Kriegsflüchtlingen aus aller Welt, die in Johannisburg leben.

Der Regisseur zeigt einen Schriftsteller auf der Suche nach einer aus Somalia geflohenen Frau. Dabei begegnet er Kriegsfluechtlingen aus aller Welt, deren Geschichten von der Gewalt des Krieges, aber auch von der Hoffnung auf Versöhnung zeugen.

 

Sehr Privates und hoch Politisches – ein Festivalbericht zur Berlinale 2006
Von Christine Stark

Vor einer Woche gingen die 56. Filmfestspiele Berlin zu Ende. Die Tagespresse gab sich – wie immer – von der Vergabe der Preise überrascht. In der Tat erstaunt, dass der heimliche Favorit unter Kritikerinnen und Cineasten, die leise Tragödie „Sehnsucht“ von Valeska Grisebach, leer ausging. Es war einer derjenigen Filme, die im Privaten angesiedelt sind: Ein glücklich verheirateter Mann verliebt sich in eine andere und wird in seinem bislang wohl geordneten Leben verunsichert. Die Fragilität von Glück und die Frage nach Beziehungs(un)fähigkeit standen nicht nur in diesem Wettbewerbsbeitrag im Zentrum. So befasste sich der wohl irritierendste Film, „Der freie Wille“ von Matthias Glasner, mit dem Leben eines Triebtäters.

Daneben war die Handlung vieler Filme in einem explizit politischen Bezugsrahmen verortet, allen voran bei dem streitbaren Beitrag „The Road to Guantanamo“ von Michael Winterbottom und Mat Whitecross. In einer Mischung aus Interviews mit Betroffenen und nachgestellten Szenen wird das Publikum mit menschenverachtenden Zuständen und Folterungen im US-Gefangenenlager auf Kuba konfrontiert. Der Film hat nicht nur auf der Berlinale heftige Diskussionen ausgelöst, sondern auch Echo in der UN-Debatte über die geforderte Schliessung von Guantanamo gefunden. Ob der Silberne Bär für die beste Regie angemessen ist, bleibt jedoch anzuzweifeln.

Das Ineinander von Politischem und Privaten fokussiert der Film „Grbavica“ von Jasmila Žbanic, der zugleich Pubertätsdrama und Studie einer labilen Nachkriegsgesellschaft ist: Eine allein erziehende Mutter im heutigen Sarajevo muss ihrer 12jährigen Tochter mitteilen, dass sie während des Krieges in einem serbischen Vergewaltigungslager gezeugt wurde. Bis in die Nebenfiguren hinein wird spürbar, wie das Private unausweichlich politisch ist, wenn einmal das Politische die private Integrität anhaltend beschädigt hat. Die Leistung der jungen bosnischen Regisseurin und ihres Teams wurde nicht nur mit dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet, sondern auch mit dem Goldenen Bären bedacht. Der Film ist bereits in seiner Entstehung an Versöhnungsarbeit auf dem Balkan interessiert und hat neben bosnischen auch serbische Künstlerinnen und Künstler eingebunden.

Auch in den beiden Sektionen „Panorama“ und „Forum“ stand die Auseinandersetzung mit politischen Fragen auf dem Programm. Die Ökumenische Jury vergibt hier zwei jeweils mit 2'500 Euro dotierte Preise. Mit „Komonrik“ von Feliks Falk würdigte sie eine im heutigen Polen angesiedelte Geschichte, in der ein Gerichtsvollzieher eine tief greifende Wandlung durchmachen muss. Ebenfalls zeichnete sie den semidokumentarischen Beitrag „Conversations on a Sunday Afternoon“ von Khalo Matabane aus, der seine Hauptfigur in Johannisburg mit Opfern wie auch Tätern verschiedener Bürgerkriege zusammenführt.
Bei all den schweren Filmen der Berlinale, gelang mit der iranischen Komödie „Offside“ ein heiterer Abschluss, gleichwohl die Benachteiligung von Frauen in der muslimischen Gesellschaft im Zentrum steht: Mädchen dürfen nicht ins Stadion, und die Soldaten, die sie bewachen müssen, haben ihre liebe Not mit der resoluten Fussballbegeisterung. Die Komödie mit Tiefgang eröffnet einen Blick in den Iran, der Offenheit im Kleinen zeigt, ein hoffnungsvoller Film.