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Zlín

46. Internationales Filmfestival für Kinder und Jugendliche
28. Mai - 3. Juni 2006

Festivalbericht

Die Oekumenische Jury vergibt ihren Preis an den Film

Greenhouse Effect
von Valery Akhadov, Russland 2005

Im Mittelpunkt des gegenwartsbezogenen Großstadtdramas stehen zwei Freunde ohne festen Wohnsitz und eine vom Land angereiste junge Frau, die sich im Moskauer Bahnhof begegnen und getragen von gegenseitigem Vertrauen gemeinsam zu überleben suchen. Die von einer tiefen Menschlichkeit getragene Geschichte wird in atmosphärisch dichten Bildern mit sehr authentisch agierenden Darstellern und zugleich in bester russischer Filmtradition erzählt. Wie ein Funke übertragen sich die bemerkenswerte Solidarität der Figuren, ihr Lebensmut und ihr unerschütterlicher Glaube an ene bessere Zukunft auf die Zuschauer.

Filmkritik (englisch)

Eine Lobende Erwähnung geht an den Film

Bonkers
von Martin Koolhoven, Nederlande 2005

Ein neunjähriges Mädchen mit einer psychisch kranken Mutter sucht nach dem plötzlichen Tod der geliebten Grossmutter nach Geborgenheit in der Familie. Dem ganz  aus der Sicht von Kindern erzählten Film gelingt es auf sehr unterhaltsame und unkonventionelle Weise, auf verbreitete existenzielle Probleme in einer postmodernen Gesellschaft aufmerksam zu machen. Mit einem selbstbewussten starken Mädchen als Hauptfigur setzt er der zunehmenden Vereinsamung die Überwindung von Vorurteilen, die Übernahme von Verantwortung, den Dialog zwischen den Generationen und sogar den enttabuisierten Umgang mit dem Tod entgegen und zeigt ein optimistisches Modell von neuen Familienkonstellationen.

Mitglieder der Jury:
Otto Brabec, Tschechische Republik (Vorsitzender)
Bernadette Meier, Schweiz,
Holger Twele, Deutschland

 

Zlín 2006 im Spannungsfeld der tschechischen Filmpolitik
Bericht über das 46. Internationale Filmfestival 2006 für Kinder und Jugendliche in Zlin
Von Holger Twele, Mitglied der Oekumenischen Jury

Eigentlich sollte das 46. Internationale Filmfestival für Kinder und Jugendliche in Zlín (Tschechische Republik), für ungetrübte Freude sorgen, zumal es dieses Jahr zugleich das 70-jährige Bestehen des Filmstudios Zlín zu feiern gab. Im Jahr 1936 hatte der die gesamte Stadtentwicklung prägende Schuhfabrikant Jan Antonin Bata dort ein Filmstudio errichtet, das bald als „tschechisches Hollywood“ galt. Es entstanden bisher mehr als 2000 Spielfilme und über 600 Animationsfilme, darunter von so bekannten Regisseuren wie Karel Zeman und Hermina Tylová. Die Reputation dieser Filme sorgte seinerzeit dafür, dass in Zlín das erste Festival weltweit entstand, das sich auf den Kinderfilm spezialisierte. Die Freude über dieses Jubiläum wurde weniger durch das konstant sehr wechselhafte Wetter getrübt, das zur Flexibilität aufforderte, Open Air Events und Sommergrillpartys auch bei Regen genießen zu dürfen, als vielmehr durch ein Politikum. Eine Woche vor den Parlamentswahlen in Tschechien, also unmittelbar vor Beginn des Festivals, hatten einige einheimische Filmemacher und Produzenten ihre Filme aus dem Programm zurückgezogen, aus Protest über die fehlende staatliche Unterstützung der tschechischen Filmindustrie bei der Filmförderung. Man wäre vermutlich besser beraten gewesen, im Rahmen des Festivals auf diese Misere aufmerksam zu machen, als den Protest auf dem Rücken der Kinder auszutragen.

Wiedersehen mit erfolgreichen Filmen

Neben umfangreichen Rahmenprogrammen – insgesamt liefen dieses Jahr 420 Filme aus 35 Ländern – wurden wieder je sechs Kinder- und Jugendfilme für den Wettbewerb um den besten Kinder- beziehungsweise Jugendfilm ausgewählt. Einige von ihnen waren für professionelle Festivalbesucher alte Bekannte. „Die Geschichte der XiaoYan“, von Fang Gangliang, VR China 2004 (Preis der Lucas-Jury), und “Freunde fürs Leben“ („Finding Friends“), von Arne Lindthner Naess, Norwegen 2005, waren bereits am Kinderfilmfestival 2005 in Frankfurt a/M zu sehen. Und „Milk and Opium“(“Doodh Aur Apheem“) von Joel Palombo, Indien 2006, und „We shall overcome“ („Drommen“), von Niels Arden Oplev, Dänemark/Grossbritannien 2005, hatte schon das diesjährige Kinderfilmfestival in Berlin programmiert. „Drommen“ war mit vier Hauptpreisen übrigens der erfolgreichste Film in Zlín. (In der Kinder- und Jugendfilm Korrespondenz KJK wurden diese Filme an entsprechender Stelle bereits gewürdigt: KJK Nr. 104/05, S.12-14; Nr. 106/06, S. 37-44.)

Tschechische Beiträge im Wettbewerb

Wenigstens in den beiden Hauptwettbewerben wurden die tschechischen Beiträge nicht zurückgezogen. Möglicherweise lag das auch daran, dass es sich hier eher um kommerzielle Filme handelt, die mehr auf einen Erfolg an der Kinokasse als auf besonderen künstlerischen Wert abheben. „Der Engel des Herrn“ unter der Regie des einstigen Kinderfilmdarstellers Jirí Strach ist ein leicht verkitschtes, streckenweise lustiges Märchen über den Himmel nach kindlichen christlichen Vorstellungen und die Hölle, über Gut und Böse also. Kurz vor Heiligabend schickt der Herr unter Begleitung von Luzifer einen unzuverlässigen Erzengel für einen Tag auf die Erde. Wenn es ihm nicht gelingen sollte, in dieser Zeit einen Sünder zu bekehren, wird er in die Hölle geschickt. Die Geschichte ist in Tschechien vom Publikum gut aufgenommen worden, überrascht durch kleine Details – das Jesuskind etwa spielt besonders gerne mit Judas, Luzifer ist Teil des Himmels und steht mit einem Erzengel an der Himmelspforte – wirkt insgesamt aber etwas antiquiert und bemüht. „Rafters“ von Karel Janák ist die Fortsetzung von „Snowborders“, des Publikumserfolgs vom vergangenen Jahr, eine technisch gut gemachte gagreiche Sommerkomödie über zwei Teenager, die noch mit ihren Eltern in Urlaub fahren müssen, viel lieber aber ihre eigenen Wege gehen und nette Mädchen kennen lernen möchten.

Festivalbeiträge aus Deutschland

Auch Deutschland, Indien und der Iran waren mit je zwei Beiträgen vertreten. Aus Deutschland kamen die hierzulande schon länger im Kino gestarteten Filme „Der Schatz der weißen Falken“ von Christian Zübert und „Das Lächeln der Tiefseefische“ von Till Endemann. Und an dem estnisch-finnischen Film „Ruudi“ von Katrin Laur war Deutschland als drittes Produktionsland ebenfalls beteiligt. Zu Beginn entwickelt sich dieser Film viel versprechend. Der sechsjährige Ruudi kommt aus einem kleinen estländischen Fischerdorf, in dem seine allein erziehende Mutter als Polizistin arbeitet. Der kleine Junge lebt in seiner Fantasie ganz in der Welt der Wikinger und ist daher tief enttäuscht, als er bei einer Fahrt mit einem nachgebauten Wikingerschiff nicht an Bord gehen darf, weil er ohne Begleitung eines Erwachsenen ist. Das verstärkt seine Sehnsucht nach einem richtigen Vater und als ein Fremder auftaucht, um im Dorf eine Erbschaft anzutreten, eröffnen sich dem Jungen tatsächlich Chancen für eine intakte Familie. Leider verliert sich die Geschichte gegen Ende hin zusehends in Klamauk und in Konflikte zwischen den Erwachsenen, statt die Perspektive des Kindes durchzuhalten.
Weitaus besser ist das „Bonkers“ („Knetter“) gelungen, der dafür auch gleich mehrere Preise einheimste (u.a. Lobende Erwähnung der Oekumenischen Jury). Der niederländische Film von Martin Koolhoven spielt ebenfalls vor dem familiären Hintergrund eines nicht existenten Vaters und darüber hinaus auch einer psychisch instabilen Mutter, die ihre neunjährige Tochter Bonnie nur dank der tatkräftigen Unterstützung der Großmutter erziehen kann. Als diese durch einen tragischen Unfall stirbt, ist es Bonnie, die gegen den Widerstand des auf den Plan gerufenen Jugendamts der Mutter hilft und zielstrebig nach einer wieder intakten Familie sucht. Mit einem selbstbewussten starken Mädchen als Hauptfigur setzt dieser äußerst unterhaltsame Film der zunehmenden Vereinsamung in einer postmodernen Gesellschaft ein Modell entgegen, das durch die Überwindung von Vorurteilen, der Übernahme von Verantwortung und den Dialog zwischen den Generationen geprägt ist.

Wenig innovative Filme aus dem Iran

Erwähnenswert sind die beiden iranischen Beiträge, auch wenn sie grundsätzlich nichts Neues bieten, sondern sich auf eingefahrenen Gleisen bewegen. „Narrow Alleys“ von Ali Zamati Esmani erzählt die Geschichte eines Mädchens auf der Suche nach einem verlorenen alten Kassettenrecorder, den zwei Brüder finden und nun für sich beanspruchen. Das Engagement von Kindern auf ein bestimmtes Ziel hin und gegen den Widerstand einer ignoranten Welt der Erwachsenen wurde freilich schon mal eindringlicher erzählt. „Requiem of Snow“ von Jamil Rostami handelt von einer jungen kurdischen Frau in einem abgeschiedenen Bergdorf, die seit einem Jahr auf die Rückkehr ihres Bräutigams wartet, aus Not nun mit einem reichen Dorfbewohner vermählt werden soll und von einem neidischen Außenseiter so getäuscht wird, dass ihr der verbliebene freie Wille und die Würde auch noch genommen werden. Die eindringliche Bildsprache und die dichte Inszenierung werden leider mehrfach durch Anschlussfehler unter anderem im Tonbereich gestört, etwa wenn ein tosender Wintersturm plötzlich in Windstille übergeht und dann erneut loslegt. Und die Begegnung mit anderen Kulturen würde einem westlich orientierten Betrachter vielleicht einfacher fallen, wenn der Film nicht aunahmslos auf eine vernichtende Kritik an einer überkommenen patriarchalen Gesellschaft abheben würde, die den Frauen keine Chance lässt. Für eine Auseinandersetzung im eigenen Land mag das hilfreich sein, im Ausland könnte das bereits vorhandene Vorurteile bestärken.

Die Entdeckung des Festivals

Eine wirkliche Entdeckung des Festivals dagegen war der russische Jugendfilm „Greenhouse Effect“ des usbekischen Regisseurs Valery Akhadov über zwei jugendliche Außenseiter in Moskau (Preis der Ökumenischen Jury). Einer blutjungen Frau vom Land, die sich in Moskau auf die Suche des Vaters ihres ungeborenen Kindes begibt, werden gleich am Bahnhof Koffer und Geld gestohlen. Sie erhält Hilfe von einem Waisenjungen namens Mute, der sich liebevoll um sie kümmert und mit ihr vorübergehend in einem Gewächshaus Unterschlupf findet, in dem er Hilfsdienste verrichtet. Russische Filme über gestrandete Jugendliche in der Großstadt schilderten die soziale Realität bisher meistens sehr pessimistisch. Ganz anders dieser Film, der von tiefer Menschlichkeit getragen ist und in atmosphärisch dichten, mitunter sehr poetischen Bildern mit authentisch agierenden Darstellern eine kleine, fast märchenhafte Geschichte über Solidarität, Lebensmut und Glaube an eine bessere Zukunft erzählt. – www.zlinfest.cz