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Saarbrücken

29. Film Festival Max Ophüls Preis Saarbrücken
14.-20. Januar 2008
www.max-ophuels-preis.de


>Festivalbericht

Die INTERFILM-Jury, bestehend aus den Mitgliedern Eva Furrer-Haller, Biel (Schweiz), Harald Koberg, Graz (Österreich), Werner Stein, Saarbrücken/Berlin (Deutschland) und Rita Weinert, Hamburg (Deutschland) vergibt beim 29. Film Festival Max Ophüls Preis Saarbrücken aus dem Programm des offiziellen Wettbewerbs für lange Spiel- und Dokumentarfilme den vom Förderverein Johanneskirche e.V. mit € 2000 dotierten Preis an den Spielfilm

Hello Goodbye
von Stefan Jäger, Schweiz 2007
www.tellfilm.ch

mit der Begründung: „Der Strom ist abbestellt, die Kisten sind gepackt. Nur noch eine kalte Notbeleuchtung erhellt das Haus.

Der krebskranke Vater hat diese Nacht zum Sterben vorgesehen, begleiten soll ihn dabei seine Tochter.

Dem Schweizer Filmteam gelingt es, das schwierige Thema Sterbehilfe überzeugend aufzubereiten, ohne auch nur einen Moment moralisierend oder voyeuristisch zu sein: Die Zuschauer werden dazu angeregt, frei und selbständig eine eigene Position zu finden.“


V.l.n.r.: Eva Furrer Haller, Stefan Jäger, Werner Stein, Harald Koberg und Rita Weinert


Synopsis: „Melina (Mona Petri) ist im Aufbruch. Sie ist frisch verliebt in eine Frau und erwartet ein Kind von einem Mann, mit dem sie bewusst eine Nacht verbracht hat, um schwanger zu werden. Wo ein neues Leben beginnt, geht ein anderes zu Ende. Melinas Vater (Stefan Gubser) hat Krebs ohne die geringste Aussicht auf Heilung will das Leiden verkürzen. Er bereitet seinen Tod minutiös vor. Kündigt das Zeitungsabo, lässt den Strom abstellen, besorgt sich ein tödliches Medikament – und konfrontiert Melina mit einer schwerwiegenden Bitte: Sie soll ihn ins einer letzten begleiten.
Vater und Tochter nehmen voneinander Abschied in seiner leeren Wohnung. Bislang Ungesagtes kommt zur Sprache, Erinnerungen scheinen auf und vermischen sich mit der Gegenwart. Die Stunden verstreichen, das Gift beginnt zu wirken. Carla (Francesca Tappa), Melinas Geliebte, taucht unangekündigt auf, betrunken und ahnungslos. Sie will den Vater kennen lernen. Und der steht plötzlich im Türrahmen. Das junge Leben hat ihn beim Sterben gestört.“ (Katalogtext).

 

Die jungen Ruhigen
Eindrücke vom Film Festival Max Ophüls-Preis 2008
von Harald Koberg, Graz, Mitglied der INTERFILM-Jury

„Der Nachwuchs ist da!“ suggeriert der Eröffnungsspot des 29. Filmfestival Max Ophüls Preis, das vom 14. bis 20.1.2008 in Saarbrücken über die Leinwand ging. Doch der Nachwuchs schreit nicht und jammert auch kaum. Da gibt es kein Aufbegehren gegen die Autoritäten, keine ungeduldigen Fäustchen, die alles niederreißen und neu erfinden wollen. Die in Saarbrücken präsentierten Erstlingswerke stützen sich gerne auf die Arbeit ihrer Vorgänger und versuchen Wege weiterzugehen, die von anderen bereits eingeschlagen wurden. Das unbedingte Bedürfnis, zu negieren und gänzlich neu zu schaffen, ist kaum zu spüren. Vielmehr versucht man durch Feinarbeit zu beeindrucken. Die Themen sind bekannt, die Handlungen bereits da gewesen, doch in raffinierten Dialogen, eigenwilligen Aufnahmen und viel sagenden Bildern zeigt sich immer wieder der Wille, im Kleinen zu erneuern und Fragen auf andere Weisen neu zu stellen. Manchmal entsteht aus diesen Intentionen recht Unauffälliges, andere Male gelingt es, zugleich zu berühren und zu beeindrucken. So geschehen beim Preisträger der INTERFILM-Jury, Hello Goodbye von Stefan Jäger (Schweiz 2007).

Um den Umgang mit dem Tod und die an das Leben gerichteten Erwartungen dreht sich Stefan Jägers Hello Goodbye. Melinas Vater (Stefan Gubser) will dem schleichenden Tod durch den Krebs nicht wartend entgegensehen und beschließt, den Zeitpunkt selbst zu bestimmen. Umgeben von bereits gepackten Umzugskartons bittet er Melina (Mona Petri), ihm in dieser letzten Nacht Gesellschaft zu leisten: Um Mitternacht wird der Strom abgestellt. Auch das hat der Vater geplant und Melina klammert sich an die grelle Notbeleuchtung und an die letzten Momente mit dem Vater. Die Kamera bewegt sich durch die halbdunklen Räume und führt immer wieder so nah an die Personen heran, dass das Gefühl physischer Berührung entsteht. Zwischen Erinnerungen und letzten Wortwechseln entsteht enorme Anspannung. Ihm gelingt es nicht recht, zu gehen, und sie kann nicht loslassen. Stefan Jäger verzichtet auf das Beziehen jeglicher moralischer Positionen und stellt die Liebe der beiden zueinander unkommentiert in den Mittelpunkt. Das Sterben, mit all seiner Härte und doch ist es das Gefühl der Hoffnung, das zurückbleibt.

Weit weniger tief, aber deswegen auch nicht gedankenlos sind André Erkaus Selbstgespräche (Deutschland 2007). Hier dreht sich alles um ein Callcenter. Es herrschen die Gesetze des Turbokapitalismus und der Quote. Unaufhörlich wird gesprochen und doch wird fast nichts gesagt. In kleinen Dosen bekommt der Zuschauer Einblicke in das Privatleben der Angestellten und stößt auf kollektive Kommunikationsunfähigkeit. Mit steigender Wortzahl sinkt der Inhalt. Seine Analyse alltäglicher Kommunikationsprobleme positioniert Erkau im Reich der Komödie. Überzeichnete Charaktere stolpern fast tollpatschig durch ihr Leben und realisieren erst sehr spät, woran sie permanent scheitern. Die soliden Leistungen von Regie und (umfangreicher) Schauspielerriege wurden von der Hauptjury mit dem Max Ophüls Preis 2008 bedacht. Ein Umstand, der für Jubel, aber auch für Diskussionsstoff sorgte.

Erwähnung sollte auch Nana Neuls Langfilmerstling Mein Freund aus Faro (Deutschland 2007) finden. Die Geschichte einer burschikosen jungen Frau, die zwischen der Erwartungshaltung ihrer Umwelt und ihren eigenen Gefühlen einen gangbaren Weg sucht. Auf der einen Seite engagiert sie einen Arbeitkollegen, damit dieser vor ihrer Familie ihren fiktiven Freund Miguel darstelle, auf der anderen schlüpft sie selbst in die Rolle des Miguel, um sich auf eine Beziehung mit einer Minderjährigen einzulassen, die lange nicht ahnt, dass ihr „Freund“ eine Frau ist. Neul versteht es durchwegs, Dramatik und Kitsch im Zaum zu halten, um der Handlung die Ruhe und Zeit zu lassen, sich nachvollziehbar zu entwickeln. Kaum eine Szene bleibt an der Oberfläche, keine Einstellung scheint verzichtbar. Getragen von einer grandiosen Hauptdarstellerin (Anjorka Strechel) gelingt hier ein Film, der einem visuell vielseitigen Thema ernst gemeinte Aufmerksamkeit widmet. Mein Freund aus Faro wurde in Saarbrücken mit dem SR/ZDF-Drehbuchpreis ausgezeichnet, hätte aber wohl noch mehr Anerkennung verdient.

Trotz des Jahr für Jahr anwachsenden Umfanges gelang es auch dem diesjährigen Max Ophüls Preis Festival, viel Raum für direkten Kontakt zu den Filmschaffenden zu bieten und auf diesem Weg viele anregende Diskussionen kontinuierlich am Laufen zu halten. Der Nachwuchs präsentiert sich nachdenklich und mit Bodenhaftung, leise und in vielen Punkten überzeugend.