Logo Interfilm.
Kontakt | Zurück | | deutsche Version english version francais (Extraits)
Berlin
Bratislava
Cannes
Cottbus
Fribourg
Karlovy Vary
Kiev
Leipzig
Locarno
Lübeck
Mannheim - Heidelberg
Miskolc
Montreal
Nyon
Oberhausen
Riga
Saarbrücken
Venedig
Warschau
Jerewan
Zlin
andere Festivals
Festivals Archiv
Saarbrücken

33. Filmfestival Max Ophüls Preis
Saarbrücken, 16.-22. Januar 2012

Festival Website  |  Festivalbericht

INTERFILM-Preis

Die INTERFILM-Jury beim 33. Filmfestival Max Ophüls Preis vergibt den INTERFILM-Preis an den Film

Dr. Ketel
Regie: Linus de Paoli, Deutschland 2011

Dr. Ketel

Der Preis ist mit 1500.- € dotiert, gestiftet vom Spenderkreis der Evangelischen Kirchgemeinde Saarbrücken-Schafbrücke und dem Filmkulturellen Zentrum der EKD im GEP.

Jurybegründung:
Ein ehemaliger Pfleger geht nachts auf die Piste, um als Arzt ohne Zulassung Unterprivilegierte medizinisch zu versorgen. In seiner Passion schreckt er vor Einbruch und Medikamentendiebstahl nicht zurück, heilt und pflegt jedoch da, wo weder Krankenhaus noch Hausarzt je hinkommen.
Die Interfilmjury erkennt in diesem Film einen unkonventionellen und inspirierenden Umgang mit den Themen Heil und Heilung, Gut und Böse, Gerecht und Ungerecht, ohne dass eindimensionale Lösungen angeboten werden.
DR. KETEL ist ein außergewöhnlicher Film, der im souveränen Mix verschiedener Stile ein ebenso realistisches wie fiktionales Bild der Gesellschaft zeichnet.

Die Mitglieder der Jury: Peter F. Stucki (Schweiz), Wolf-Dieter Scheid (Deutschland),  Christine Ris (Schweiz) und Dr. Friedrich Brandi-Hinrichs (Deutschland)

Inhalt: Berlin-Neukölln, in nicht allzu ferner Zukunft. Das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen. Ein Mann arbeitet im Untergrund und ohne Lizenz als Arzt. Er behandelt die Leute auf den Straßen und Hinterhöfen, seine Medikamente stiehlt er in Apotheken. In die Rolle eines Outlaws gezwungen, sieht sich Ketel zunehmend mit Hürden und Selbstzweifeln konfrontiert. Von seiner Situation zusehends überfordert, bemerkt er nicht, dass ihm eine Sicherheitsdienstmitarbeiterin auf den Fersen ist. (Festivalinformation)

Dr. Ketel - Trailer von Linus de Paoli auf Vimeo.

 


IMPRESSIONEN VOM FILMFEST MAX-OPHÜLS-PREIS 2012
VON DR. FRIEDRICH BRANDI-HINNRICHS, HAMBURG

Versteht man Kino als Spiegel der Gegenwart oder Zeitansage für die Gesellschaft, dann muss es um diese nicht gut stehen. Beim diesjährigen 33. Filmfestival Max-Ophüls-Preis (MOP) standen einige Filme auf dem Programm, die regelrecht beängstigende Familienszenarien entwarfen. Exemplarisch dafür steht der ebenso exzellente wie verstörende Gewinner des MOP Michael von Markus Schleinzer (Österreich 2011), ein Portrait des Alltags eines Kindesentführers in seinem Vorstadthäuschen mit schallisoliertem Keller. Wie in einer Kleinfamilie lebt der Entführer mit dem Entführten. Michael Fuith, der Hauptdarsteller, hat dann zu Recht auch den Darstellerpreis erhalten. Oder auch Totem, in dem Jessica Krummacher (Deutschland 2011) das Leben einer  Familie beschreibt, die allerhöchstens noch das Heute bewältigen kann, mehr aber nicht. Oder Stillleben von Sebastian Meiser (Österreich 2011) und Festung von Kirsi Marie Liimatainen (Deutschland 2011), grossartig inszeniert und gespielt,  und konsequenterweise mit dem Preis der Jugendjury ausgezeichnet. In diese Reihe gehört ebenfalls der etwas unverständliche Film Snowchild von Ute Arning (Deutschland 2011). Um nicht missverstanden zu werden: Beeindruckende Filme waren das, und sie hätten alle ein Kinopublikum verdient, doch es ist fraglich, ob sich eine Kinogängerin des Abends von solch düsteren Geschichten unterhalten lassen möchte. Bei vielen Filmen muss man sich innerlich rüsten, will man den Kinosaal aufrechten Ganges auch wieder verlassen.
 
Insgesamt gaben die 16 Filme im Wettbewerb für lange Spielfilme viel Gesprächsstoff für die Pausen beim Essen oder Kaffee ab. Anlass für wiederkehrende Diskussionen bot zum Beispiel Der Fluss war einst ein Mensch von Jan Zabeil (Deutschland 2011), die in der Regel irgendwo im Nichts mündeten, weil die Reise ins unbekannte Afrika die einen Zuschauer ansprechen und fesseln konnte, anderen aber eher platt und nichtssagend vorkam. Interessant war Die Farbe des Ozeans von Maggy Peren (Deutschland/Spanien 2011), der Film liess auf recht spannende Weise zwei Milieus aufeinanderprallen: deutsche Touristen und afrikanische Boatpeople an der Küste Grand Canarias. Leider liess die künstlerische Qualität des Films zu wünschen übrig. Diesem Anspruch genügte hingegen Mary & Johnny von Samuel Schwarz und Julian M. Grünthal (Schweiz 2011), der denn auch eine lobende Erwähnung der Hauptjury erhielt. Er ist eine ebenso anregende wie anspruchsvolle Adaption von Ödön v. Horvaths "Kasimir und Karoline", der wegen seiner ganz und gar hoffnungslosen Beschreibung der Spaß-Gesellschaft allerdings auch etwas ratlos zurücklässt.

Und dann Transpapa von Sarah Judith Mettke (Deutschland 2011) - endlich mal ein unterhaltsamer Film, der die Genderproblematik, also: Geschlecht als gesellschaftliche Konstruktion, humorvoll in eine Familiengeschichte verpackte. Hinreißend fand ich Devid Striesow als Vater, der zur Überraschung seiner Tochter inzwischen zu der sehr selbstbewussten und esoterisch angehauchten Sophia geworden war. Und zudem noch Lebensgefährtin des 20 Jahre älteren Wolfgang. Das Thema Liebe im Alter wurde gleich noch mitgeliefert – alles sehr leicht und befreit von jeder Moral. Der Film wird’s in die Kinos schaffen, da bin ich mir sicher.

Die INTERFILM-Jury hat sich nach engagierter Diskussion dann für den letzten Film des Wettbewerbs entschieden: Dr. Ketel von Linus und Anna de Paoli (Deutschland 2011). Nach Bekanntgabe des ja nun nicht gerade üppig dotierten Preises brach Jubel im Saal aus und Erstaunen, dass ausgerechnet die Kirche einen Film prämiert, der aus dem Festivalprogramm herausfiel. Traditionalisten innerhalb und außerhalb der Kirche rümpften, so wurde mir erzählt, teilweise die Nase ob dieser Entscheidung. Er ist in Schwarz-Weiß gedreht und erzählt, durchaus auch poetisch, eine skurrile Geschichte von der Umwertung der Werte. Das Glück der Preisträger und des Protagonisten über diese unerwartete Entscheidung einer kirchlichen Jury war mir Bestätigung genug. Und die Festivalleitung war wohl auch erfreut über diesen schwarz-weißen Farbtupfer bei der insgesamt zweistündigen Preisverleihung.